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Trost/Nicht-Trost

Trauriger als die tröstenden Worte,
die — aus dem 1
oder anderen Grund —
nicht mehr trösten,
ist nichts.

Wie Stroh, das aus
trockenen Mündern
quillt. Die Bewegung der Lippen
kippt
ins Hassenswerte.

Und all die Worte,
aufgehäuft, sie könnten wohl
den Mond erreichen —
Trost
jedoch nicht spenden.

Du musst

Fülle
leere
fülle

Dich mit Dingen.
Du musst dich
erinnern.

An
Adventkranzkerzen (rot)
den Schein der Kerzen

An
die Hauptstädte der Welt
(die große Verwirrung)

An
die richtigen Worte
(keine Bibel mehr)

An
den ohrenbetäubenden Geschmack
der Liebe

An

Fülle
Leere
Fülle.

Schlittschuhlaufen

WLAN macht frei.
Exzellent
ist die Kälte.
Einbildung.

Im Winter die Seen. Hingleitet
Narzissus, im Aug
die Erde.

Wo sind wir?
Im Internet.

Ewiger Verkehr

Es leuchtet in der Nacht das große gelbe M,
und tausend kleine Lichter leuchten mit.
Der ewige Verkehr fließt durch die Stadt
und weit hinaus, zu allen anderen Städten hin.
Der kleine Mann, der von der Brücke springt,
ist nur Statistik, und Statistik sind wir alle.
Er steht und schaut und springt in den Verkehr,
der schluckt ihn ohne Innehalten und fließt weiter.
Es leuchten tausend Lichter, jedes will verführen;
den Tanz führt an — das große gelbe M.

Ein jeder huldigt ihm, ob bar, ob bargeldlos.
Wir haben zwar die Wahl, doch müssen wählen.
Später schluckt uns der Verkehr, der ewig fließt.
Es leuchtet in der Nacht das große gelbe M.

Antilyrik

Alles geht schön lila
durcheinander
& ist übrigens vor-
handen, wie
Lebkuchen.

Das Gedicht muss gar
nix,
nur lesbar sein,
in einem Rausch-
Rutsch.

Hier gibt’s
quasi nix
mehr. Nur eine Stimme
auf die
Fresse.

#1

Apathie

Cash hijackt
das Belohnungszentrum.
Wenn es
aus dem Automaten
perlt.

Die Oasen
sind überall aufgestellt.
Ich stehe
stundenlang
daneben.

Und ergehe mich
in Betrachtung
meiner selbst
und der Umstände.

Fremd Sprache

Ein Wort
verlangt sofort
ein andres
Wort.
Ein Widerwort.
Ein Wiederwort.
Und noch
ein Wort.
Sofort!

Die Kettenmigration
der Worte
überfremdet
immer schon
die Welt.

Ein Wiederwort.
Ein Wiederwort.
Ein Wiederwort.

Frühspät

Wie Glühwein in der Kehle
schwarzer Gottheit

Weint und glüht
leuchtender Supermarkt
im Winterabend

Das prall
gefüllte Dekolleté
der Welt

Ode an den Flüchtling

Flüchtling, Geflüchteter, Refugee
(Du hast viele Namen),
ich weiß — weißt Du es auch? —,
die Top-Entscheider
lesen heute Lévinas.
Ich weiß — weißt Du es auch? —,
dass Du ein Mensch bist,
ich hab es oft genug
gesagt bekommen. Ich bin —
weißt Du das auch? —
ja selbst ein Mensch.

Ich seh Dich vor mir stehen,
es hat — nein, Du
hast Dich selbst hierher
verschlagen. Du siehst
mich an. Ich seh Dich an …
Was gehen wir einander an?

Du bist ins Adidas-Paradies
gekommen. Weißt Du, dass wir leiden,
auch wir, die Eingeborenen
im Adidas-Paradies? Weißt Du,
wer wir sind? Und —
willst Du’s wissen?

Ich verrate Dir, O Refugee,
unser Geheimnis: Wir wissen
selbst nicht, wer wir sind.

Wer weiß, vielleicht
ist das auch Dein Geheimnis?
Oder weißt Du, wer Du bist?
Und was Du willst? Die weißen
Frauen? Der Weißen Geld?
Die Herrschaft über
unsere Welt …?

Ja, wir sind alle Menschen,
das ist ja das Problem. Die Menschen
sind nicht „gut“ — sie sind’s
& sind es wieder nicht.
Was lehrt denn der Islam?
Was lehrt der Westen?
Wir wissen selbst nicht, wer wir sind.